Tierarzt-Spezialisierungen: Wann muss mein Tier zum Experten?
Tierärzte sind wahre Alleskönner. In ihrer Ausbildung erwerben sie ein breites medizinisches Fachwissen, um für möglichst viele Leiden der meisten Tierarten gut vorbereitet zu sein. Doch da kein Mensch alles bis zur Perfektion lernen und beherrschen kann – schon gar nicht in einem komplexen Feld wie der Medizin, sind manchmal Spezialisierungen nötig. Aber welche davon existieren überhaupt bei Tierärzten? Und welche Vorteile bringt die Behandlung durch einen Spezialisten mit sich? Wir klären auf.
Fachliche Spezialisierungen von Tierärzten
Die wohl wichtigste Spezialisierung für Tierärzte ist die Konzentration auf medizinische Fachgebiete. Genau, wie ein Zahnarzt, Augenarzt oder Kardiologe sich einem Bereich des menschlichen Körpers und dessen Heilung widmet, gibt es Tiermediziner, die sich besonders gut in einem dieser Felder auskennen. Diese findet man oft – wenn auch nicht nur – in Tierkliniken. Zu den gängigsten fachlichen Spezialisierungen gehören:
- Innere Medizin: Tierärzte mit einem Fokus auf innere Medizin diagnostizieren und behandeln Erkrankungen innerer Organe wie Herz, Lunge, Leber, Nieren und der Organe des Verdauungssystems.
- Chirurgie: Chirurgische Spezialisten führen komplexe Operationen durch, einschließlich Weichteilchirurgie (z. B. Tumorentfernung, Bauchoperationen) und Orthopädie (z. B. Knochenbruchreparatur, Gelenkchirurgie).
- Dermatologie: Tierärzte, die sich auf Dermatologie spezialisiert haben, befassen sich schwerpunktmäßig mit Erkrankungen der Haut, des Fells und der Krallen. Sie kennen sich aber auch mit Allergien, Infektionen und bestimmten Tumorarten gut aus.
- Augenheilkunde: Veterinäre, die sich auf Augenheilkunde konzentrieren, untersuchen und behandeln Augenerkrankungen wie Katarakte, Glaukome und Hornhautschädigungen.
- Kardiologie: Tiermedizinische Kardiologen befassen sich mit Herzkrankheiten und führen Untersuchungen wie EKGs, Echokardiografie und Herzkatheteruntersuchungen durch.
- Neurologie: Tierärzte, die sich auf Neurologie spezialisiert haben, diagnostizieren und behandeln Erkrankungen des Nervensystems, einschließlich Rückenmarksverletzungen, Epilepsie und Gehirntumoren.
- Onkologie: Tierärzte mit dem Fachgebiet „Onkologie“ sind auf die Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen bei Tieren spezialisiert, einschließlich Chemotherapie, Bestrahlung und Chirurgie.
- Verhaltensmedizin: Tierärzte, die sich der Verhaltensmedizin widmen, untersuchen Verhaltensprobleme bei Tieren und entwickeln Behandlungspläne zur Modifikation von störenden oder krankhaften Verhaltensweisen. Sie ähneln in dieser Hinsicht also ein wenig einem Psychologen bzw. Psychotherapeuten bei uns Menschen.
Info:
Neben den genannten tierärztlichen Fachrichtungen gibt es noch viele weitere, wie Tierzahnheilkunde, Radiologie, Anästhesiologie oder Ernährungsberatung. Dabei sind diese Spezialisten leider nicht in jeder Region zu finden. Zum Glück können aber auch allgemein ausgerichtete Tierärzte viele Eingriffe und Therapien aus den einzelnen Fachgebieten durchführen.
Spezialisierung auf Tierarten
Anders als Humanmediziner können sich Veterinäre nicht nur auf medizinische Fachgebiete, sondern auch auf unterschiedliche Tierarten konzentrieren. Neben typischen Haus- und Nutztieren können das auch exotischere Spezies sein. Selten widmet sich ein Tierarzt nur einer Tierart, oft werden Gruppen von ähnlichen Tieren behandelt. Die häufigsten Spezialisierungen umfassen:
- Kleintierärzte: Sicher die am häufigsten anzutreffende Gruppe unter den Veterinären. Kleintierärzte behandeln vor allem Hunde und Katzen, aber auch andere Kleintiere wie Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und Vögel. Sie sind sowohl in Tierarztpraxen als auch in Tierkliniken tätig und bieten eine breite Palette von Dienstleistungen an. Zum Aufgabengebiet von Kleintierpraxen oder Kleintierkliniken gehören neben Routineuntersuchungen, zum Beispiel auch Impfungen, chirurgische Eingriffe und die Notfallversorgung. Fakten zu letzterem Aufgabengebiet findest Du auch in unserem Artikel: Tierklinik und Notdienst.
- Großtierärzte: Großtierärzte widmen sich der Gesundheit von Nutztieren wie Pferden, aber auch von Rindern, Schweinen, Schafen oder Ziegen. Sie arbeiten entweder stationär in einer Praxis oder sind mobil im Einsatz, um die Tiere auf Reithöfen oder in landwirtschaftlichen Betrieben zu behandeln. Vor allem Pferde werden von solchen Spezialisten auch in Tierkliniken versorgt. Großtierärzte führen ähnlich wie Kleintierärzte Routineuntersuchungen, Impfungen, Kastrationen, Geburten und Behandlungen von Krankheiten und Verletzungen durch. Es gibt auch Pferdekliniken und Pferdetierärzte, die sich allein auf diese Tierart spezialisiert haben.
- Pferdedentalpraktiker („Pferdezahnärzte“): Pferdedentalpraktiker (nach IGFP) sind eine der am höchsten spezialisierten Tierarzttypen und dürfen sich dabei nicht einmal als Zahnärzte bezeichnen, da dieser Begriff allein Humanmedizinern vorbehalten bleibt. Sie konzentrieren sich allein auf die – ziemlich anspruchsvolle – Zahngesundheit von Pferden. Dabei führen sie Zahnuntersuchungen, Zahnreinigungen und Zahnbehandlungen durch, um Probleme am Kauapparat wie Kieferfehlstellungen, Zahnsteinbildung und Hakenbildung zu erkennen und zu beheben. Auch Pferdedentalpraktiker können sowohl stationär als auch mobil tätig sein.
- Exoten- und Wildtierärzte: Exoten- und Wildtierärzte behandeln nicht-traditionelle Haustiere wie Reptilien, Amphibien, aber auch Vögel, Fische und kleine Säugetiere. Neben Tierkliniken trifft man sie auch in Zoos, Wildtierschutzeinrichtungen oder Forschungseinrichtungen an. Diese Tierärzte besitzen spezielles Wissen über die Bedürfnisse und Gesundheitsprobleme von exotischen Tieren und können Diagnosen, Behandlungen und Präventionsmaßnahmen durchführen.
- Vogelkundige Tierärzte: Vogelkundige Tierärzte verfügen über eine besondere Expertise in der Behandlung von Vögeln aller Arten, von kleinen Ziervögeln bis zu größerem Federvieh, wie Papageien und Greifvögeln. Sie können in Praxen oder Tierkliniken, aber genauso auch in der Vogelzucht, in der Geflügelhaltung oder im Vogelschutz beschäftigt sein. Was ihr Leistungsspektrum betrifft, sind sie ähnlich aufgestellt wie andere Tierärzte.
Wann solltest Du einen spezialisierten Tierarzt aufsuchen?
Auch wenn in vielen Fällen eine Tierarztpraxis mit breiter tiermedizinischer Ausbildung vollkommen ausreicht oder sogar die bessere Wahl ist, macht es manchmal absolut Sinn, einen Experten für bestimmte Tierarten oder Krankheiten zu konsultieren. Dazu gehören etwa die folgenden Szenarien:
- Komplizierte Eingriffe: Besonders bei schwerwiegenden und schwer zu behandelnden Erkrankungen und Verletzungen können genaue Kenntnisse eines bestimmten Fachgebiets oder der spezifischen Anatomie einer Tierart von Vorteil sein. Genauso wie eine speziell hierfür optimierte Ausstattung.
- Seltene Krankheiten: Spezialisten haben oft einen aktuelleren Forschungsstand auf ihrem Fachgebiet und kennen vielleicht neuartige Therapien und Verfahren, die auch bei weniger häufig auftretenden Erkrankungen greifen.
- Unklare Diagnose: Nicht immer kann Dein Tierarzt für die beobachteten Symptome eine eindeutige Diagnose stellen. Ein Spezialist kann hier womöglich aufgrund seiner Erfahrungen aushelfen und gegebenenfalls eine Zweitmeinung liefern.
- Verhaltensprobleme: Jeder Tierarzt kennt sich natürlich in gewissen Rahmen mit dem Verhalten und der Psyche von Tieren aus. Jedoch ergibt es gerade bei hartnäckigen Verhaltensauffälligkeiten und bei psychischen Leiden wie Traumata, Angststörungen oder Depressionen Sinn, einen Tierarzt für Verhaltenstherapie aufzusuchen. Dieser kann Deinem Tier dabei helfen, auch psychisch wieder gesund und glücklich zu werden.
- Tierarten mit besonderen Bedürfnissen: Vor allem, wenn Du im Besitz von Exoten oder weniger verbreiteten Haustieren bist, solltest Du mit ihnen am besten zu einem Tierarzt gehen, der sich gut mit diesen Tierarten auskennt und auf ihre besonderen Bedürfnisse eingehen kann. Denn nicht nur die Behandlung von Giftschlangen stellt einen Tierarzt, der sich vor allem mit Katzen und Hunden beschäftigt, vor große Herausforderungen. Auch ein voll ausgewachsenes Pferd kann sich nicht jeder Kleintierarzt auf den zu knapp bemessenen Behandlungstisch legen. Hierfür gibt – und braucht es – Spezialisten.
Dies sind nur einige Beispiele für die Vorteile der Behandlung durch einen tierärztlichen Spezialisten. Jedoch solltest Du bedenken, dass gerade solche Experten oft ziemlich kostspielig sind. Damit Du Dir wegen hoher Tierarztrechnungen keine Gedanken machen musst, solltest Du frühzeitig eine Tierkrankenversicherung oder eine Tier-OP-Versicherung abschließen.
Generell gilt: So gut und wichtig Spezialisten auch sind, in den meisten Fällen solltest Du Dein Tier erst einmal zu Deinem Stammtierarzt bringen. Er kennt es am besten, ist gut mit seiner Krankengeschichte vertraut und kann Dich, falls nötig, noch immer an einen spezialisierten Fachmann überweisen.