Impulskontrolle beim Hund

Ein zurückhaltender, folgsamer Vierbeiner ist der Traum eines jeden Hundehalters. Doch die Realität sieht leider oft anders aus: Die Hunde ziehen, bellen und jaulen, wenn sie nicht sofort das bekommen, was sie wollen. Wir zeigen Dir, wie Impulskontrolle funktioniert und Du die Frustrationstoleranz Deines Hundes steigern kannst.
Was ist Impulskontrolle beim Hund?
Jeder Hundehalter, der einen Welpen großzieht, muss sich unzählige Male mit Impulskontrolle auseinandersetzen, auch wenn er sich darüber vielleicht gar nicht im Klaren ist. Es geht hierbei um Reize in der Umgebung des Hundes, die ihn unkontrolliert zu einer spontanen Handlung verleiten. Beispielsweise äußert sich das in dem Drang, einem Jogger hinterherzuflitzen, einer Wildspur zu folgen, beim Klingeln aufzuspringen oder beim Griff zur Leine loszubellen. Das erleben nicht nur Welpen- und Junghundebesitzer, sondern auch viele Halter eines erwachsenen Hundes. Der Grund dafür ist, dass die Tiere nicht gelernt haben, bestimmte Impulse zu kontrollieren. Diese Selbstkontrolle ist keineswegs angeboren, sondern muss trainiert werden. Idealerweise geschieht das bereits in der Aufwuchsphase. Aber auch bei älteren Hunden ist es nie zu spät dafür.
Was ist Frustrationstoleranz beim Hund?
Die Frustrationstoleranz beim Hund ist eng verbunden mit der Impulskontrolle. Hierbei geht es jedoch nicht um den ersten Impuls, sondern darum, dass der Hund lernt, Situationen abwarten zu können. Das kann zum Beispiel sein, beim Gassigehen nicht gleich zu jedem anderen Hund gehen zu dürfen, bei der Fütterung in Ruhe zu warten, bis der Napf platziert wurde, oder im Körbchen liegenzubleiben, wenn der Postbote klingelt. Ein Hund mit hoher Frustrationstoleranz akzeptiert, dass er nicht immer sofort etwas bekommt oder machen darf, was er möchte. Hierfür muss er jedoch gelernt haben, dass sich dieses Verhalten für ihn lohnt.
Gründe für Probleme mit der Impulskontrolle und Frustrationstoleranz
Es kommen eine Vielzahl von Ursachen infrage, wenn Dein Hund sich nicht unter Kontrolle hat oder ordentlich Frust schiebt, wenn es nicht gleich nach seinem Willen geht:
Rasse
Manche Hunderassen wurden über Generationen darauf trainiert, schnell und eigenständig zu handeln. Das gilt zum Beispiel für Jagd- und Hütehunde. Bei ihnen verwundert es nicht, wenn sie sehr impulsiv reagieren.
Genetik
Es muss nicht zwingend mit einer Rassezugehörigkeit zusammenhängen, dass Hunde auf bestimmte Reize reagieren. Dies kann genetisch bedingt bei allen Hunden auftreten.
Pubertät
Je nach Größe des Hundes durchläuft er die Pubertät zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat. In dieser Zeit werden Hundehalter vor große Herausforderungen gestellt. Erste gelernte Kommandos funktionieren plötzlich nicht mehr und der Junghund reagiert stark auf Umweltreize. Sein „Vernunftzentrum“ muss sich erst noch entwickeln, weshalb Rückschläge völlig normal sind. Es bedarf in dieser Phase Geduld und Du solltest regelmäßige kleine Trainingseinheiten absolvieren. Jetzt ist eine perfekte Zeit, Impulsen entgegenzusteuern und dem Hund zu zeigen, dass ungeduldiges Verhalten sich nicht auszahlt.
Fehlende Regeln und Grenzen
Ob in der Welpenzeit, der Pubertät oder beim erwachsenen Hund: Klare Regeln geben dem Hund Sicherheit. Wenn Du inkonsequent bist, verwirrt dies Deinen Vierbeiner. Entweder er darf immer auf die Couch oder nicht. Entweder Du gibst ihm seinen Napf, auch wenn er gerade völlig durchdreht, oder nicht. Entweder darf er zu anderen Hunden, auch wenn er wie irre an der Leine zieht, oder nicht. Es gibt unzählige Situationen, in denen Dir bewusst sein sollte, dass Du konsequent handeln solltest. Ansonsten gewöhnt sich Dein Hund schnell Unarten an. Zum Beispiel, dass er bei genügend Getöse und Gezerre von der Leine darf und alles tun kann, was er will.
Fehlende Auslastung
Ein unausgelasteter Hund hat weniger Ressourcen, ruhig zu bleiben. Achte daher darauf, dass Du Deinen Hund sowohl körperlich als auch geistig artgerecht beschäftigst.
Stress und Überforderung
Wenn Du selbst gestresst bist, überträgt sich dies auf Deinen Hund und lässt ihn unkontrollierter reagieren. Dasselbe kann auch passieren, wenn Du von ihm zu schnell zu viel erwartest. Gerade während der Pubertät ist die Aufmerksamkeitsspanne Deines Hundes oft sehr kurz. Lerne mit ihm lieber häufiger in kleinen Etappen, statt zu versuchen, alles in eine Trainingseinheit zu packen.
Typische Situationen unkontrollierten Verhaltens
Millionen Hundehalter regen sich täglich darüber auf, dass ihr Hund in bestimmten Situationen anders reagiert, als sie es sich wünschen. Zu den größten Aufregern zählen dabei die folgenden Verhaltensweisen:
- Der Hund springt am Besuch hoch, wenn er kommt.
- Der Hund bellt, wenn jemand am Zaun vorbeigeht.
- Der Hund rennt wild durch die Wohnung, wenn es klingelt.
- Der Hund zieht an der Leine, wenn er einen anderen Hund sieht.
- Der Hund winselt, wenn er auf etwas warten muss.
- Der Hund kann nicht stillhalten, wenn das Futter zubereitet wird.
- Der Hund orientiert sich unterwegs gar nicht an Dir.
- Der Hund jagt allem Bewegten hinterher.
- Der Hund dreht beim Spiel zu stark auf.
- Der Hund kann vor dem Überqueren einer Straße nicht ruhig warten.
Wie Du siehst, gibt es viele Situationen, in denen Impulskontrolle und Frustrationstoleranz eine entscheidende Rolle spielen. Wem dies bewusst ist, kann gezielt gegensteuern. Wenig hilfreich ist hierbei, den Hund zu schimpfen. Stattdessen solltest Du ihm andere Wege aufzeigen, die sich für ihn lohnen.
Aufmerksamkeitstraining und positive Verstärkung
In vielen Situationen ist die Kunst, die Aufmerksamkeit Deines Hundes auf Dich zu lenken, die Basis des Erfolgs. Dein Hund sollte lernen, dass Du für ihn die wichtigste Reizquelle bist, ganz egal, was um ihn herum gerade passiert. Das bedarf eines beständigen Trainings und einer unwiderstehlichen Belohnung. Beginne am besten damit, Unterschiede bei Leckerlis zu machen. Für kleine Liebesbeweise genügt ein „normales Leckerli“, für ein positiv gezeigtes Verhalten solltest Du dagegen in die Trickkiste greifen. Damit ist gemeint, dass Du zum Beispiel ein Würstchen oder einen Käse kleingeschnitten hast und bereithältst beziehungsweise mitnimmst, wenn es Situationen mit impulsivem Verhalten geben könnte. Die Kunst ist es allerdings, diese gar nicht erst entstehen zu lassen, sondern davor positives Verhalten zu belohnen.
Das Problem vieler Hundehalter ist, dass sie wünschenswertes Verhalten als selbstverständlich hinnehmen und bei unerwünschten Aktionen schimpfen. Wir sollten unsere Hunde viel öfter loben, zum Beispiel, wenn sie gerade brav neben uns hergehen. Oder wenn sie unterwegs einen Blick zu uns herüberwerfen. Oder gar freiwillig zu uns im Park wieder zurückkehren. Das sind die Situationen für Würstchen, Käse oder andere Lieblingsleckerlis. Diese erfreulichen Momente sollten dem Hund im Gedächtnis bleiben, sodass er das Verhalten gerne wieder zeigt. Damit lernt er ohne Druck und Zwang, was Frauchen und Herrchen als positiv empfinden.
Übungen zur Impulskontrolle
Du weißt selbst am besten, in welchen Situationen Du Dir wünschen würdest, dass Dein Hund nicht impulsiv und unkontrolliert reagiert. Diese solltest Du trainieren. Das Prinzip ist fast immer, ein positiv gezeigtes Verhalten (mit „Super-Leckerlis“) zu belohnen und unerwünschtes zu ignorieren. Dies könnte zum Beispiel wie folgt aussehen:
Gemeinsames Zerrspiel
Beim Zerrspiel wartest Du auf ruhiges Verhalten von Deinem Hund und gibst dann ein klares Startsignal. Ihr zerrt nur kurz und locker, und wenn Dein Hund sich gut selbst reguliert, lobst du ihn. Baue immer wieder kleine Pausen ein, in denen Du das Spielzeug stillhältst und Dein Hund kurz warten soll, bevor er nach deinem erneuten „Okay“ weitermachen darf. Übe zwischendurch das „Aus“ und belohne ihn dann direkt mit weiterem Zerren. Wenn er zu wild wird oder sich hochschaukelt, brichst Du das Spiel ruhig ab und wartest einen Moment. Am Ende gibst du ein klares Schlusssignal und legst das Spielzeug weg.
Futterzubereitung
Hast Du zu Hause einen Kandidaten, der beinahe Amok läuft, wenn Du sein Fressen zubereitest, solltest Du zum Abtrainieren folgendermaßen vorgehen: Stelle ihm den gefüllten Napf erst hin, wenn er sich ruhig verhält und am besten „Sitz“ macht. Ungestümes Verhalten solltest Du ignorieren. Beruhigt er sich, bekommt er sein Futter.
Ziehen an der Leine
Schimpfe nicht, wenn Dein Hund an der Leine zerrt, sondern lobe ihn, wenn er brav neben Dir geht. Belohne jeden aufmerksamen Blick zu Dir sowie anstandsloses Gehen.
Hundebegegnung
Kommt Dir beim Hundespaziergang ein Hund entgegen und Du möchtest ohne Stopp an ihm vorbeigehen, nimmst Du am besten sofort ein Super-Leckerli in die Hand. Zeige es Deinem Hund und sprich mit ihm, sodass er sich voll und ganz auf Dich konzentriert. Geht er anstandslos an seinem Artgenossen vorbei, gibt es die Belohnung.
Straße überqueren
Gewöhne Dir an, Deinen Hund vor dem Überqueren einer Straße kurz absitzen zu lassen (also ihn „Sitz“ machen zu lassen) und belohne ihn dafür. Schon hast Du einen umgänglicheren Zeitgenossen an Deiner Seite.
Besuch begrüßen
Wenn Dein Hund Besuch zu stürmisch begrüßt, trainierst Du dies am besten unter kontrollierten Bedingungen. Bitte Freunde oder Bekannte, die Begrüßung gemeinsam mit Dir und Deinem Hund zu üben. Wenn sie hereinkommen, bekommt Dein Hund nur Aufmerksamkeit und eine Belohnung, wenn er sich anständig aufführt. Ansonsten sollte er von allen Beteiligten nicht beachtet werden.
Gassigehen
Sollte Dein Hund den halben Flur zerlegen, wenn Du nach der Leine greifst, dann lege sie wieder weg. Erst wenn er sich beruhigt hat oder zumindest deutlich zurücknimmt, probierst Du es erneut und lobst wünschenswertes Verhalten.
In den genannten und allen anderen Situationen, solltest Du Deine individuellen Probleme durchleuchten und überlegen, wie Du Dir das Verhalten Deines Hundes wünschst. Wann immer es in die richtige Richtung geht, sollte eine positive Verstärkung erfolgen. Das funktioniert keinesfalls von heute auf morgen. Falsch „antrainiertes“ Verhalten ist fest verankert. Du brauchst daher möglicherweise viel Zeit und Geduld. Doch überlege, wie viele Nerven Dich manche Situationen kosten. Sie sind es bestimmt wert, dass Du Zeit investierst, um diese für alle angenehmer zu gestalten. Und Du wirst als positiven Effekt bemerken, dass Du damit gleichzeitig auch die Bindung zwischen Dir und Deinem Hund stärken kannst.