Blinder Hund: So kannst Du Deiner Fellnase helfen
Verlieren wir unsere Sehkraft, werden Hunde oft ganz selbstverständlich zur wichtigsten Stütze. Der Alltagsheld auf vier Pfoten hilft, wo er nur kann. Was aber heißt es, als Mensch für seinen Hund zu sehen? Erfahr hier, welche Herausforderungen ein blinder Hund mit sich bringt und wie Du ihm die größte Hilfe bist.
Erblindung ist bei Hunden keine Seltenheit
PRA: Drei harmlose Buchstaben, durch die für viele Hundebesitzer eine Welt zusammengebrochen ist. Die Beispiele lebensfroher Handicap-Hunde können noch so zahlreich sein – die Diagnose PRA ist für jedes Frauchen und für jedes Herrchen erstmal ein Schock. Zur Erklärung: PRA, Progressive Retinaatrophie, ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen der Netzhaut. Wurde PRA vererbt, ist sie nicht heilbar. Die Erblindung des erkrankten Hundes lässt sich nicht aufhalten.
Neben PRA gibt es noch viele weitere Ursachen, warum Hunde ihr Augenlicht verlieren. Nicht erst im Alter, sondern schon in jüngeren Jahren. Das ist leider gar nicht so selten. Verbreitete Erkrankungen sind beispielsweise der Graue Star (Katarakt) und der Grüne Star (Glaukom). Ob durch einen Unfall oder infolge einer Krankheit: Verliert Dein Hund einen Sinn, ist das für alle ein großer Einschnitt.
Trotzdem ist es noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Den allermeisten Hunden gelingt es zügig, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Für trübsinnige Gedanken bleibt Dir ohnehin keine Zeit, denn Dein Hund zählt auf Dich.
Übrigens: Ob sehender oder blinder Hund - die Hundehaftpflicht ist immer sinnvoll.
Zuhause: Orientierungshilfe für den erblindeten Hund
Um Deiner erblindeten Fellnase die Umgewöhnung zu erleichtern, gilt in Deinen vier Wänden ab sofort ein wichtiger Grundsatz: Alles bleibt an seinem Platz. Eine banale, aber wirkungsvolle Regel. Möbel umzustellen würde zum einen nur für unnötige Verwirrung sorgen. Zum anderen könnte das Umräumen auch Zusammenstöße provozieren.
Für Deinen Hund ist es wichtig, dass er sich die Wege in Eurem gemeinsamen Zuhause einprägen und sich darauf verlassen kann. Deshalb solltest Du bei Deiner Einrichtung auf Beständigkeit setzen und Veränderungen so gut es geht vermeiden. Dies gilt selbstverständlich auch für den Futter- und den Schlafplatz Deines blinden Vierbeiners.
Worauf Du zu Hause außerdem achten solltest:
- gefährliche Möbelkanten, die sich auf Höhe Deines Hundes befinden. Die Verletzungsgefahr verringerst Du durch das Anbringen eines Ecken- und Kantenschutzes für kleine Kinder. Auch vor den Kanten „warnende“ Pflanzen können gute Dienste leisten.
- Übergänge, zum Beispiel die Terrassentür zum Garten. Diese Stellen kannst Du mithilfe des Untergrunds markieren. Dafür genügt schon eine Fußmatte.
Der Duft weist den Weg
Damit sich Dein blinder Vierbeiner besser zurecht findet, gibt es außerdem noch eine naheliegende Strategie: Duft-Markierungen. Besonders wichtige Orte wie Futternapf, Wasserschale und Körbchen werden so noch leichter erschnüffelt und gefunden.
Deine Fellnase findet sich bei Dir zu Hause bereits problemlos zurecht? Prima. Markierungen sind überflüssig. Vielleicht hilft ein Duft aber auf unbekanntem Terrain. Zum Beispiel im Urlaub, in der frisch renovierten Ferienwohnung.
Zur Markierung von Orten eignen sich ätherische Öle. Wähle Duftmarkierungen allerdings sehr sorgfältig aus. Obwohl es einige Öle gibt, die von den meisten Hunden gemocht werden, ist das Geruchsempfinden sehr individuell. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Folgende Ölmischungen werden zum Beispiel im Entspannungstraining eingesetzt:
- Lavendel
- Kamille
- Zitrone
- Mandarine
Zitrusdüfte für Hunde? Schon an dieser kurzen Liste siehst Du, wie sehr die Meinungen auseinander gehen. Verwende deshalb nur Düfte, von denen Du wirklich sicher bist, dass sie Deinem Vierbeiner angenehm sind.
Mach Deine eigenen Erfahrungen. Behalte immer im Hinterkopf, dass Deine erblindete Fellnase ätherische Öle sehr viel intensiver wahrnimmt als Du selbst. Frag im Zweifel einen Experten nach der richtigen Dosierung.
Unterstützen statt abnehmen
Gib Deinem blinden Hund unbedingt die Möglichkeit, zu Hause selbst zu erkunden und Erfahrungen zu machen. Dabei ist der Tastsinn gefragt. Deine wichtigste Aufgabe: Halte den Boden von Hindernissen wie Schuhen, Spielzeug oder anderen kopflos abgestellten Dingen frei. Unerwartetes birgt immer Verletzungsgefahr.
Wenn Du einen kleinen, leichten Hund hast, ist die Versuchung groß, ihm Wege abzunehmen und ihn an sein Ziel zu bringen. Indem Du ihn trägst, tust Du ihm aber kurz- und langfristig nichts Gutes. Natürlich ist diese Geste lieb gemeint, aber zum besseren Zurechtfinden trägt sie leider nicht bei. Ganz im Gegenteil.
Versetz Dich einfach in die Lage Deines blinden Vierbeiners. Stell Dir vor, jemand würde Dir die Augen verbinden, Dich plötzlich aufheben und an einem anderen Ort wieder absetzen. Wärst Du nicht auch verwirrt? Den Hund zu „lotsen“, ihm Orte zu zeigen, ist die bessere Alternative zum Tragen.
Sei ruhig optimistisch, denn die Erfahrung zeigt: Hunde, die nicht von Geburt an blind sind, sondern ihre Umgebung bereits vor der Erblindung kannten, finden sich in den meisten Fällen schneller zurecht als erwartet.
Mitbewohner für den erblindeten Hund hörbar machen
Nach und nach werden die Wege in der Wohnung oder im Haus immer routinierter. Die Vertrautheit vor der Erblindung kehrt langsam zurück. Für den erblindeten Hund gibt es aber noch eine Herausforderung: das „Bewegliche“ – also Frauchen, Herrchen und alle, die in Deinem Haushalt wohnen.
Außer Frage steht, dass Hunde viel besser hören und riechen als wir Menschen. Aber gerade wenn ein Hund abrupt erblindet, kann die Umstellung überfordern. Die Lösung: ein Glöckchen.
- Statte Dich am Fuß oder am Handgelenk damit aus.
- Deine Bewegungen sind für Deinen blinden Hund leichter einzuordnen.
- Besonders hilfreich ist das Signal, wenn Du Dich auf Deinen Hund zubewegst.
- Du brauchst keine Sorge haben, ihn ungewollt zu überrumpeln.
- Vierbeinige Mitbewohner kannst Du ebenfalls mit einem Glöckchen versehen.
- Denk daran, dass Halsbänder für Katzen Gefahrenquellen sind.
Wenn Du noch einen weiteren Hund hast und kein Freund der Glöckchen-Lösung bist, kann die Hundemarke am Halsband gute Dienste leisten. Auch unterwegs ist das Klappern der Marke hilfreich für die Orientierung.
Unterwegs: Sicher Gassi gehen trotz Erblindung
Zumindest am Anfang ist es sinnvoll, wenn Ihr Eure Runden in vertrauter Umgebung dreht. So spielt sich unter den neuen Bedingungen schneller Routine ein. Wie häufig Du in Zukunft die Wege wechselst, Ausflüge und Urlaub mit Hund machst, solltest Du nach Deinem Gefühl entscheiden. Sei lieber sparsam mit neuen Routen, wenn sich Dein Vierbeiner sehr unsicher oder sogar verängstigt im Freien bewegt.
Leine oder Freilauf?
Wie Du Dich am besten mit Deinem erblindeten Hund draußen bewegst, ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben der Umgebung spielen Gehorsam und Selbstsicherheit des Vierbeiners eine ganz entscheidende Rolle. Für den Anfang bietet die altbewährte Schleppleine Sicherheit. Kannst Du Deine blinde Fellnase aber problemlos abrufen, worauf warten? Lass sie wetzen!
Überall da, wo Autos im Spiel sind, solltest Du lieber kein Risiko eingehen und Deinen Vierbeiner konsequent anleinen. Sicher ist sicher.
Blindensymbol sorgt für Verständnis
Sobald Ihr das Haus verlasst, begegnet Ihr Menschen und Tieren, die nichts von der Blindheit Deines Vierbeiners wissen. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Außenstehende zumindest optisch auf das Handicap hingewiesen werden.
Halstuch, Geschirr oder Halsband: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Deine Fellnase mit einem Blindensymbol auszustatten. Du musst nicht unbedingt auf Artikel aus dem Handel zurückgreifen. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Nähst, strickst oder häkelst Du gerne? Perfekt! Werde kreativ und stell Deinem Hund ein individuelles Accessoire mit besonderer Funktion her. Beispiel: ein gelbes Halstuch mit drei schwarzen Punkten.
Mach Dir bewusst, dass
- Du keine mitleidigen Reaktionen provozieren, sondern sensibilisieren möchtest.
- andere Hundebesitzer dank des Hinweises aufmerksamer sind und stärker auf ihren eigenen Vierbeiner achten. Schließlich soll Dein blinder Hund keinen unerwarteten „Überfall“ erleben.
- Du Rücksicht und Verständnis erwarten darfst. Zöger nicht, auf das Handicap hinzuweisen, wenn Dir diese Rücksichtnahme fehlt.
Signale anderer Hunde deuten
Da Dein Vierbeiner die visuellen Signale seiner Artgenossen nicht mehr verarbeiten kann, musst Du diesen Job noch stärker als bei einem sehenden Hund übernehmen. Nur so gehst Du Konflikten gezielt aus dem Weg.
Entscheidend ist, dass Du die Körpersprache von Hunden einzuschätzen weißt. Liest Du einem fremden Vierbeiner Verunsicherung oder sogar Aggression ab, kannst Du entsprechend reagieren. Ohne Deine Einschätzung könnte Deine Fellnase im Freudentaumel eine sehr böse Überraschung erleben.
Mit Kommandos hinweisen und warnen
Unterwegs bist Du die Augen für Deinen Hund. Verstreute Glasscherben, fiese Stacheldrahtzäune, steile Gräben oder besonders tiefe Pfützen – das alles sind Wahrnehmungen, die Du Deiner Fellnase voraushast. Nur Du kannst Deinen Hund rechtzeitig warnen.
Da Sichtzeichen nun der Vergangenheit angehören, liegt Deine ganze Aufmerksamkeit auf dem Rufen und Hören. Um Deinen blinden Vierbeiner vor Gefahren zu schützen, musst Du in jedem Fall das abrupte Anhalten und anschließende Stillstehen trainieren. Denkbar sind Kommandos wie „Stopp“, „Achtung“ oder „Vorsicht“. Warn-Abstufungen sind möglich. Auch Richtungssignale sind hilfreich.
Deine Stimme nimmt einen sehr großen Stellenwert ein. Kündige alles, was Deine Fellnase nicht sehen kann, durch Sprache an. Das fängt schon beim Über-den-Kopf-Streicheln oder beim Anziehen des Geschirrs an.
Darüber hinaus kannst Du mit den passenden Kommandos Hindernisse wie etwa Stufen ankündigen. Unser Tipp: Zieh einen erfahrenen Hundetrainer hinzu, um die wichtigsten Signale auszuwählen und zu üben. So vermeidest Du Fehler, die Deinen Hund verunsichern könnten.
In fremder Umgebung hilfst Du Deinem blinden Vierbeiner in der Regel immer mit akustischen Signalen, sich zu orientieren. Zum Beispiel, indem Du auf etwas klopfst.
Tipps für den Alltag mit einem erblindeten Hund
Durch die Erblindung Deines Vierbeiners werden einige Selbstverständlichkeiten plötzlich in Frage gestellt. Aber keine Sorge: Für alle neuen Herausforderungen des Alltags gibt es gute Lösungen.
Treppen
Viele sehende Hunde scheuen sich vor steilen und vor allem rutschigen Treppen. Je glatter der Untergrund, desto unsicherer der Gang. Für blinde Fellnasen entwickeln sich Treppen schnell zum unüberwindbaren Hindernis, das große Ängste auslöst.
Du hilfst Deinem Hund, indem
- Du Treppen mit Teppich oder anderen rutschfesten Materialien versiehst. Selbsthaftende Matten müssen nicht einmal mehr auf die Stufen aufgeklebt werden. Sorgen um hartnäckige Kleber- oder Teppichreste sind also überflüssig.
- Du die Treppe mit einem erlernten Kommando ankündigst (siehe „Mit Kommandos hinweisen und warnen“).
- Du selbst beim Treppensteigen sehr bewusst und damit lauter als üblich auftrittst. Auch das hilft Deiner Fellnase einzuordnen, wo genau sich die Stufen befinden.
Absperrungen
Bewegt sich Dein blinder Vierbeiner insgesamt noch sehr unsicher in seinem Reich, sind Absperrgitter für Treppen sinnvoll. So hast Du die Sicherheit, dass der eine oder andere Fehltritt keine Folgen hat. Selbst wenn sich Deine Fellnase dabei nichts tut, hinterlässt ein Sturz eine große Verunsicherung, die die Umgewöhnung zurückwerfen kann..
Hat Dein Vierbeiner Zugang zu einem Garten, in dem sich ein Teich oder ein Pool befindet? Denk daran, auch solche Stellen außerhalb der Wohnung oder des Hauses abzusichern. Mit einem mobilen Zaun ist die Gefahr schnell gebannt.
Autofahren
Neben den Treppen kann Deinem erblindeten Hund auch das Ein- und Aussteigen aus dem Auto Ängste bereiten. Je nachdem, was Du für einen Wagen besitzt und wie gut Dein Vierbeiner mit dem Hinein- und Herausspringen zurechtkommt, solltest Du über die Anschaffung einer Rampe nachdenken. Mittlerweile gibt es sehr viele verschiedene Modelle, die Hunden den Ein- und Ausstieg erleichtern.
Bei einer geeigneten Einstiegshilfe
- stimmt das Verhältnis zwischen Kofferraumhöhe und Rampenlänge. Denn je kürzer die Rampe, desto steiler der Einstiegswinkel.
- ist die Lauffläche mit einem rutschfesten Untergrund versehen, der auch bei nassem Wetter ausreichend Halt bietet.
Spielzeug
Das gemeinsame Spielen darf wegen der Behinderung auf keinen Fall zu kurz kommen. Forder und förder Deinen blinden Hund genauso wie einen sehenden. Grundsätzlich eignen sich Spielzeuge besonders, die gut hörbar sind. Beispielsweise Bälle, die ein Glöckchen enthalten. Achte bei der Auswahl des Spielzeugs allerdings vor allem auf die Sicherheit.
Gut geeignet sind zum Beispiel auch Suchspiele, bei denen die Spürnase gefragt ist. Dabei können sowohl der versteckte Futterbeutel zum Einsatz kommen als auch spezielle „Spielbretter“, die eigens für die Beschäftigung in der Wohnung entwickelt wurden. Behalte Deinen Vierbeiner bei diesen Spielen aber immer im Auge.
Jede Umstellung verläuft anders
Junger oder betagter Hund? Im schleichenden Prozess oder von heute auf morgen erblindet? Bei jedem Hund sind die Ausgangsbedingungen andere. Wie viel Unterstützung Dein blinder Vierbeiner braucht, lässt sich deshalb nicht pauschalisieren.
Neben dem Alter des Hundes spielt es auch eine große Rolle, wie es zur Erblindung kommt. Tiere, deren Sehvermögen über einen längeren Zeitraum stetig abnimmt, gewöhnen sich zwangsläufig an diesen Zustand. Sie konzentrieren sich bereits mit geringem Sehvermögen stärker auf ihre anderen Sinne. So lässt sich auch erklären, dass eine begonnene Erblindung oft erst in einer ungewohnten Umgebung auffällt.
Ein sehender Zweithund kann Deinem Handicap-Vierbeiner Orientierung und Sicherheit geben. Die Betonung liegt allerdings auf „kann“. Ob es tatsächlich so kommt, hängt vom individuellen Gespann ab. Nicht jede erblindete Fellnase orientiert sich automatisch an einem Artgenossen. Ob sehend oder blind: Selbstbewusste, aufgeweckte Hunde gehen ihre eigenen Wege.
(Selbst-)Vertrauen wirkt Wunder
Nur Mut! Hunde hadern nicht mit ihrem Schicksal, sondern entdecken Eure gemeinsame Welt Schritt für Schritt neu, auch ohne Augen. Gib Deinem Vierbeiner die Möglichkeit dazu – mit Rücksicht, aber ohne Angst und Bevormundung.
Trau Deiner Fellnase genauso viel zu wie einem sehenden Hund. Entscheidend ist, dass die kranken oder entfernten Augen keine Schmerzen (mehr) verursachen. Alles andere wird sich mit Deiner Unterstützung früher oder später fügen.
Zum Abschluss folgt ein Ratschlag, den ich ausgesprochen gerne gebe: ausgiebiges Schmusen nicht vergessen! Kuscheln ist nämlich sehr wichtig. Dank des geschärften Tastsinns weiß Deine blinde Fellnase Streicheleinheiten jetzt noch mehr zu schätzen.