Zahngesundheit beim Pferd: So wichtig ist ein gesundes Maul
Zahnschmerzen sind fies, das wissen wir alle. Auch Pferde plagen sich häufig damit herum. Leider gerät die Zahngesundheit beim Pferd viel zu oft in Vergessenheit. Dabei sind nur gesunde Pferde auch glückliche Pferde – und entsprechend leistungsfähig.
Verhält sich Dein Pferd ungewöhnlich? Vielleicht sind die Zähne schuld. Woran erkenne ich Zahnschmerzen, ist eine Behandlung notwendig und wer kann mein Pferd behandeln? Gibt es Möglichkeiten, Zahnproblemen vorzubeugen?
Wir geben Dir Antworten auf diese und alle weiteren Fragen zur Zahngesundheit Deines Pferdes. Damit Dir in Zukunft kein Zahnproblem im Wege steht.

Der Mythos der nachwachsenden Pferdezähne
Im Unterschied zu uns Menschen nutzen sich die Zähne des Pferdes beim Fressen auf natürliche Weise ab. Sie werden bei der Zerkleinerung des Futters abgerieben. Der Grund: Pferde besitzen schmelzfaltige Zähne. Diese sind nicht wie beim Menschen vollständig vom Zahnschmelz, der härtesten Substanz des Zahnes, überzogen.
Natürlicher Abnutzungsvorgang
Nutzen sich die unterschiedlich harten Substanzen der Pferdezähne verschieden stark ab, entsteht eine raue Kaufläche, die auf eine optimale Zerkleinerung des Futters ausgelegt ist. Um den natürlichen Abnutzungsvorgang auszugleichen, schieben sich die Zähne des Pferdes deshalb ganz langsam aus dem sogenannten Zahnfach heraus.
Im Laufe eines Jahres wird ein Zahn etwa 2-3 Millimeter abgenutzt. Zum Ausgleich schiebt er sich dann um diese Länge aus dem Zahnfach heraus. Darauf gründet der Irrglaube, dass Pferdezähne ein Leben lang nachwachsen. In Wahrheit werden sie langsam aber stetig kürzer.
Dieses Wissen ist sehr wichtig für den Pferdezahnarzt, denn es sollte nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich von den Zähnen weggenommen werden.
Häufige Zahnprobleme beim Pferd: Hier besteht Behandlungsbedarf
- gespaltene oder abgebrochene Zähne
- scharfe Kanten und Haken
- Wolfs- und Hengstzähne
- Entzündungen der Maulschleimhaut und der Zunge
- Zahnfleischentzündung
- Probleme beim Zahndurchbruch
- Gebissanomalien (z. B. Über- oder Unterbiss)
In diesen Abständen sollte das Pferdegebiss kontrolliert werden
Als Faustregel gilt: Eine jährliche Kontrolle des Gebisses ist sinnvoll und empfehlenswert. Die erste Überprüfung findet idealerweise bereits kurz nach der Geburt des Fohlens statt, um Anomalien am Gebiss auszuschließen.
Junge Pferde
In bestimmten Lebensphasen des Pferdes bietet es sich jedoch an, Zähne und Maul zweimal im Jahr kontrollieren zu lassen. Das trifft auf junge Pferde zu, die sich noch im Zahnwechsel befinden.
Alte und vorbelastete Pferde
Ab einem Lebensalter von etwa 15 Jahren sollten Pferdezähne häufiger überprüft werden. Aufgrund der fortgeschrittenen Abnutzung der Zähne leiden ältere Pferde häufiger unter Zahnproblemen als ihre jüngeren Artgenossen. Außerdem sollten Pferde mit bekannter Fehlstellung oder Anomalien des Gebisses zweimal im Jahr kontrolliert werden.
Viele Zahnprobleme bleiben lange unentdeckt
Scharfe Kanten und Haken zählen zu den häufigsten Zahnproblemen bei Pferden. Sie können massive Verletzungen von Backenschleimhaut und Zunge verursachen. Aber auch auf der Kaufläche können durch fehlerhaften Abrieb große Probleme für die Futteraufnahme entstehen. Im schlimmsten Fall beeinträchtigen sie die Funktionalität des ganzen Gebisses.
Die Zahngesundheit des Pferdes ist tückisch, denn viele Pferde zeigen zunächst keine Anzeichen, wenn sie Probleme haben. Sie fressen weiterhin, obwohl sie Schmerzen haben. Der Hunger überwiegt. Das hat auch evolutionäre Gründe. Wer Schwäche zeigt, gefährdet sein Überleben in der Herde.
Selbst wohlgenährte Tiere weisen mitunter große Zahnprobleme auf. Bleibt eine regelmäßige Kontrolle der Pferdezähne aus, werden Erkrankungen deshalb häufig erst im fortgeschrittenen Stadium – zum Beispiel bei Entzündungen oder Vereiterungen – entdeckt. Das Heu kann trotz scharfer Kanten meist noch gut zermahlen und geschluckt werden, die Probleme zeigen sich dann häufig beim Reiten.
Wie viele Zähne hat ein Pferd?
Antwort: 36-40 Zähne
Die sogenannten Wolfszähne sind ein Merkmal des männlichen Gebisses. Diese vier Zähne kommen aber zum Teil auch bei Stuten vor. Im Alter von 6-8 Jahren hat der Zahn eines Pferdes seine vollständige Länge von bis zu 12 cm erreicht.
Diese Anzeichen deuten beim Pferd auf Zahnschmerzen hin
Die Tatsache, dass Pferde häufig still leidende Patienten sind, verlangt Pferdebesitzern ihre größtmögliche Aufmerksamkeit ab, denn akute Zahnschmerzen müssen sich nicht sofort durch strikte Futterverweigerung bemerkbar machen.

Schmerzen im Maul können sich sehr unterschiedlich äußern. Möglicherweise fallen sie erst durch Folgen der Zahnerkrankung auf – so zum Beispiel durch Probleme im Verdauungstrakt. Um seinem Pferd Schmerzen durch die eigene Unachtsamkeit zu ersparen, sollten Probleme beim Fressen, Auftrensen oder Reiten ernst genommen werden.
Folgende Anzeichen deuten auf Probleme im Pferdemaul hin:
- Unrittigkeit (Wehren gegen das Gebiss, Steigen, Kopfschlagen)
- verändertes Fressverhalten (langsames o. hastiges Fressen, auffällige Kaubewegungen, Fallenlassen von angekautem Futter, Schütteln oder Tränken des Heus)
- verminderte Aufnahme von Flüssigkeit
- Mundgeruch
- Auffälligkeiten an Zunge, Lippe oder Zahnfleisch
- vermehrter Speichelfluss
- Nasenausfluss
- schlechter Allgemeinzustand (Gewichtsverlust trotz Futteraufnahme, stumpfes Fell)
- wiederholt auftretende Verdauungsprobleme und Koliken
Behandlung von Pferdezähnen: Der Kostenfaktor
Die Behandlungskosten werden nach der tierärztlichen Gebührenordnung (GOT) abgerechnet. Je nach Umfang der Behandlung können die Kosten stark variieren. Für einen Routineeingriff sollten 100 bis 180 € eingerechnet werden. Diese Kosten übernimmt die Pferdekrankenversicherung.
Pferd im Zahnwechsel: Rücksichtnahme ist wichtig
Mit circa 2,5 Jahren beginnt der Zahnwechsel beim Pferd. Abgeschlossen ist er meist mit 5 Jahren. Im Laufe des ersten Jahres sind weit mehr als 50 Prozent aller an der Nahrungsaufnahme beteiligten Zähne vom Wechsel oder Durchbruch betroffen.
Zahnwechsel während der Ausbildung
Dieses Wissen ist entscheidend, weil der Zahnwechsel des Pferdes in der Regel mit seiner Ausbildung zusammenfällt. Während des Zahnwechsels werden Pferde mit ihren Aufgaben als Reit- oder Fahrpferd vertraut gemacht. Insofern ist es bei jeglicher Form des Trainings notwendig, die Zähne zuvor gründlich von einem Spezialisten kontrollieren zu lassen. Der Pferdezahnarzt prüft, ob der Wechsel altersgemäß entwickelt ist und ob möglicherweise Milchzahnreste im Maul verblieben sind.
Negative Erfahrungen vermeiden
Die regelmäßige Zahnkontrolle im Ausbildungsalter verhindert negative Erfahrungen mit dem Reithalfter: Besonders junge Pferdezähne neigen zu scharfen Kanten, die die Schleimhaut im Maul verletzen.
Unter Umständen empfiehlt der Pferdezahnarzt, das Training an die Zahnentwicklung anzupassen und Trainingsphasen zu verschieben.
Wolfs- und Hengstzähne können schmerzhaft sein
Auch Wolfszähne können bei Bedarf in diesem Zug entfernt werden. Als Wolfszähne bezeichnet man Überbleibsel ursprünglicher Backenzähne, die sich im Laufe der Evolution zurückgebildet und ihre Funktion verloren haben. Sie kommen nicht bei allen Pferden vor. Allerdings können sie bei einem Kontakt mit der Trense Schmerzen verursachen. Viele Experten plädieren deshalb dafür, Wolfszähne vor dem ersten Training zu ziehen.
Vorbereitet sein: Das solltest Du über die Zahnbehandlung beim Pferd wissen
In der Regel können die Zähne Deines Pferdes bei Dir vor Ort im Stall behandelt werden. Wichtig sind folgende Rahmenbedingungen:
- ruhiger, wettergeschützter Ort
- rutschfester Untergrund
- Zugang zu sauberem Wasser
- Stromanschluss
- Möglichkeit, den Kopf des Pferdes mithilfe des Dentalhalfters in einer Höhe von etwa 2 bis 2,5 Metern zu fixieren (z. B. Balken, stabile Schiene)
Das Werkzeug: manuelle und elektrische Raspeln
Routinemäßig korrigieren Pferdezahnärzte beispielsweise scharfe Kanten und Haken. Dafür arbeiten sie mit speziellen Handwerkzeugen oder elektrischen Raspeln. In der Regel steht für jede Zahngruppe eine eigene Raspel zur Verfügung. Eine sorgfältige und gewissenhafte Zahnbehandlung dauert im Durchschnitt 40 bis 60 Minuten.
Zur Beruhigung: die Sedierung
Als Sedierung bezeichnet man die Gabe von Beruhigungs- und Schmerzmitteln, um dem Pferd Angst und mögliche Schmerzen zu nehmen. Im Unterscheid zu einer Narkose bleibt es bei Bewusstsein, nimmt aber nur wenig von seiner Außenwelt wahr.
Für kleinere Eingriffe ist die Sedierung nicht zwingend nötig. Sie kann allerdings notwendig sein, wenn sich der Pferdepatient als sehr nervös, gestresst oder nicht kooperativ erweist. Außerdem arbeiten einige Tierärzte grundsätzlich immer mit Sedierung, um auch wirklich jedes Detail des Mauls begutachten und bei Bedarf behandeln zu können.

So läuft eine Zahnbehandlung bei Pferden ab
1. Anamnese
- Halter informiert über sein Pferd (Nutzung, Fressverhalten, gesundheitliche Vorbelastungen, Vorbehandlungen, Probleme etc.)
2. Voruntersuchung ohne Sedierung
- Begutachtung des Gesamtzustandes
- Untersuchung des Kopfes und des Mauls
3. Besprechung des weiteren Vorgehens
- Tierarzt bzw. Pferdedentalpraktiker stimmt mit dem Halter Art und Umfang der Behandlung ab.
4. Vorbereitung und Behandlung
- Allgemeinuntersuchung (z. B. Herz)
- Sedierung (falls nötig)
- Ausspülen der Maulhöhle
- Einsetzen des Maulgatters
- Fixierung des Kopfes im Dentalhalfter
- gründliche Untersuchung mithilfe des Zahnspiegels
- Behandlung
5. Nachsorge
- Aufwachphase nach Sedierung: 1,5 bis 2 Stunden (mehrstündiges Futterverbot wegen Schlundverstopfungsgefahr)
Zahnproblemen beim Pferd aktiv vorbeugen
Zwar kannst Du Zahnprobleme nicht verhindern, aber durch Deine Fütterungs- und Haltungsbedingungen leistest Du zumindest einen wichtigen Beitrag zur Zahngesundheit Deines Pferdes. Folgende Faktoren wirken sich positiv aus:
- Raufutter
- ausgiebiger Weidegang
- ungiftiges Knabberholz (z. B. Birke, Lärche)
Kontrolle des Pferdegebisses: Tierarzt oder Pferdedentalpraktiker?
Wenn Du die Zähne Deines Pferdes kontrollieren oder behandeln lassen möchtest, hast Du verschiedene Möglichkeiten. Die klassische Anlaufstelle ist selbstverständlich der Tierarzt. Er ist breit aufgestellt, denn er verfügt über das Wissen der gesamten Tiermedizin.
Je nach Behandlungsbedarf und Schwere der Erkrankung bietet es sich an, einen auf Zahnheilkunde spezialisierten Tierarzt aufzusuchen oder sich an eine entsprechend spezialisierte Fachklinik zu wenden.
Pferdedentalpraktiker sind speziell ausgebildet

Darüber hinaus besteht aber noch eine weitere Option: der Pferdedentalpraktiker. Im Unterschied zum Tierarzt absolviert ein Pferdedentalpraktiker kein Studium der Veterinärmedizin.
Er durchläuft stattdessen eine Ausbildung, die ausschließlich auf die Behandlung des Pferdegebisses zugeschnitten ist. In Deutschland gibt beispielsweise die Internationale Gesellschaft zur Funktionsverbesserung der Pferdezähne e.V. (IGFP) Ausbildungs-Richtlinien vor.
Zwischen studiertem Tierarzt und Pferdedentalpraktiker besteht allerdings ein wichtiger Unterschied: Pferdedentalpraktiker dürfen keine Sedierung durchführen. Sollte sie notwendig sein, muss ein Tierarzt hinzugezogen werden.
Vom Wild- zum Hauspferd: Die Zivilisationskrankheit Zahnprobleme
Häufig wird die fachmännische Kontrolle des Pferdemauls durch einen Tierarzt oder einen Pferdedentalpraktiker als überflüssig und übertrieben abgetan. In der freien Wildbahn gebe es schließlich auch keinen Pferdezahnarzt, so die Argumentation. Vergessen wird dabei allerdings, wie sehr sich die Lebensumstände der Pferde in Europa gewandelt haben.
Denn Zahnprobleme beim Pferd sind in erster Linie die Folge grundlegend veränderter Lebensbedingungen.
Als Steppentier weidet ein wild lebendes Pferd um die 16 Stunden am Tag. Dabei frisst es trockenes und energiearmes Gras, das gründlich zermahlen werden muss. Darüber hinaus werden Sand und Staub aufgenommen, die zusätzlich für eine gleichmäßige Abnutzung sorgen. Unsere heutigen Hauspferde haben dieses Gebiss von ihren wilden Artgenossen geerbt.
Das natürliche Gleichgewicht der Zähne ist gestört
Doch bei der in Europa vorherrschenden Pferdehaltung sind Abrieb und Nachschub der Zähne nicht mehr im Gleichgewicht. Nicht jedes Pferd erhält die Möglichkeit, stundenlang zu grasen. Zudem ist europäisches Gras im Vergleich zum Steppengras viel weicher. Heu und Stroh sind bereits geschnitten. Außerdem würde ein freilaufendes Pferd deutlich mehr Äste, Zweige, Blätter und Kräuter fressen.
Oft verteilt sich die Fütterung auf wenige Mahlzeiten mit weichen und energiereichen Futtermitteln, die nicht gründlich zerkaut werden müssen. Dauerhaft nutzen sich die Pferdezähne weniger und fehlerhaft ab. Dadurch wird die Bildung von scharfen Kanten begünstigt. Zahnprobleme beim Pferd sind also eine Zivilisationskrankheit.
Ein weiterer Faktor für Probleme der Pferdezähne sind außerdem ungesunde Zuchtideale. Immer zierlichere Pferdeköpfe geraten ins Missverhältnis zu mehr oder minder gleichbleibenden Zähnen – und führen zu Platzproblemen im Maul.